OVG Münster: keine Gestattungsverträge für Altkleidercontainer

Altkleidercontainer

Mit Urteil vom 8. Dezember 2017 (Az. 11 A 566/13) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster der Klage eines Unternehmens stattgegeben, das Altkleider in von ihm aufgestellten Sammelcontainern sammelt. Die Entscheidung ist deshalb interessant, weil die beklagte Gemeinde der Auffassung war, sie könne die Aufstellung von Altkleidercontainern zum Gegenstand privatrechtlicher Gestattungsverträge machen. Dabei sollte der Aufsteller zum Zuge kommen, der das höchste „Konzessionsentgelt“ anbietet. Dieser Praxis ist das Gericht mit seinem Urteil entgegengetreten.

Aufstellen von Altkleidercontainern ist Sondernutzung

Die Beklagte hatte sich im rechtlichen Ausgangspunkt darauf berufen, dass das beabsichtigte Aufstellen der Altkleidercontainer keine Sondernutzung sei. Vielmehr liege eine sonstige Benutzung der Straße i. S. v. § 23 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) vor, weil es sich bei den beantragten Standorten um Straßenbegleitgrün, teilweise unbefestigte Straßenrandstreifen und Containerstellflächen handele. Dem widersprach das OVG Münster unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, der zufolge selbst dann eine Sondernutzung vorliegt, wenn Container zwar nicht auf öffentlichem Straßengrund, aber so auf dem angrenzenden Privatgelände aufgestellt sind, dass die Benutzer während des Befüllens auf der öffentlichen Verkehrsfläche verweilen müssen (Rn. 45).

Pauschale Ablehnung von Sondernutzungserlaubnis ermessensfehlerhaft

Mit dieser Einschätzung waren die Weichen für den weiteren Argumentationsgang gestellt: Da es sich bei der beabsichtigten Aufstellung von Altkleidercontainern um eine Sondernutzung handelte, wäre eine öffentlich-rechtliche Regelung durch Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 18 StrWG NRW erforderlich gewesen (Rn. 54). Damit hätte die Beklage eine Ermessensentscheidung treffen müssen (Rn. 52), und zwar selbst für den Fall, dass man die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auch im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags für möglich erachten würde (Rn. 57). Von einer solchen Ausübung des ihr zustehenden Ermessens habe die Beklagte aber abgesehen, weil sie von vornherein nicht von einer Sondernutzung ausgegangen sei und der Auffassung war, sie könne das Recht zur Aufstellung von Altkleidercontainern privatrechtlich durch Gestattungsvertrag einräumen (Rn. 52).

Diese Einschätzung ist auf Grundlage der getroffenen Tatsachenfeststellungen und der ständigen Rechtsprechung des OVG Münster zur Sondernutzung öffentlichen Straßenraums durch Altkleidercontainer auch auf angrenzendem Privatgrund ohne weiteres überzeugend. Der im Urteil wiedergegebene Tatbestand erweckt allerdings den Eindruck, als habe die beklagte Gemeinde die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis evtl. auch unabhängig von der Frage abgelehnt, ob überhaupt eine Sondernutzung vorliegt. Vielmehr hatte die Beklagte im Verwaltungsverfahren ausgeführt, „dass in ihrem Gemeindegebiet die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern auf öffentlichen Flächen im Rahmen von Sondernutzungen nicht genehmigt werde“ (Rn. 4).

Angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme auf „öffentliche Flächen“ spricht einiges dafür, dass die Gemeinde es aus grundsätzlichen Erwägungen heraus abgelehnt haben könnte, Sondernutzungserlaubnisse für diesbezügliche Nutzungen zu erteilen. Das beträfe dann auch solche Fälle, in denen es sich um Nutzungen handelt, die über den Gemeingebrauch hinausgehen und diesen beeinträchtigen, also Sondernutzung sind und unstrittig einer öffentlich-rechtlichen Regelung bedürfen. Das entspricht verbreiteter kommunaler Praxis und ist nicht auf das Aufstellen von Altkleidercontainern beschränkt. Insoweit könnte das Urteil auch so zu verstehen sein, dass eine pauschale Ablehnung einer bestimmten Form der Sondernutzung auch dann rechtswidrig ist, wenn sie ständiger Praxis der betreffenden Gemeinde entspricht, aber nicht auf konkrete Ermessenserwägungen gestützt ist.

Ob das Oberverwaltungsgericht eine so weitreichende Aussage treffen wollte, ist den Entscheidungsgründen allerdings nicht zu entnehmen. Vielmehr hat es, wie gezeigt, sein Urteil insoweit allein auf die geschilderte Annahme gestützt, dass die beklagte Gemeinde die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aufgrund eines falschen Verständnisses von der Rechtsnatur der beabsichtigten Nutzung abgelehnt habe.

Nachschieben erstmaliger Ermessenserwägungen unzulässig

Der Beklagten half dann auch nicht, dass sie im Gerichtsverfahren Ausführungen zu ihren Beweggründen gemacht hatte. Zwar seien auch bei der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis solche Ermessenserwägungen i. S. v. § 114 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu berücksichtigen, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässigerweise nachgeschoben wurden (Rn. 49). Im vorliegenden Fall habe die Beklagte ihr Ermessen aber überhaupt nicht ausgeübt, da sie von vornherein – zu Unrecht – davon ausgegangen war, es liege überhaupt keine Sondernutzung vor. Es handele sich somit um einen Ermessensausfall, bei dem ein Nachschieben von Gründen nicht möglich sei (Rn. 62).

Die rechtliche Bewertung des Oberverwaltungsgericht liegt auf einer Linie mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Dieser zufolge schafft § 114 S. 2 VwGO die prozessualen Voraussetzungen lediglich für eine Ergänzung defizitärer Ermessenserwägungen im Verwaltungsprozess, nicht aber für die erstmalige Ausübung des Ermessens.[1]Siehe etwa BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 – Az. 1 C 10.07, Rn. 30. Hier zeigt sich, wie wichtig die Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale einer Ermessensvorschrift ist. Verneint man bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen, wie hier die beklagte Gemeinde in der Annahme, es läge schon keine Sondernutzung vor, kann sich die hierauf aufbauende Entscheidung, von einer Ermessensbetätigung abzusehen, als unheilbar rechtswidrig erweisen, wenn die Verwaltungsgerichte bei ihrer in der Regel uneingeschränkten Überprüfung des Tatbestands zu einer anderen Einschätzung gelangen. Die Entscheidungsfreiheit auf der Rechtsfolgenseite entbindet also nicht von der sorgfältigen Rechtsanwendung auf Tatbestandsebene.

Fazit: nur wenig Raum für privatrechtliche Gestattungsverträge

Mit der vorliegenden Entscheidung hat das OVG Münster den mittlerweile reichhaltigen Kanon der straßen- bzw. sondernutzungsrechtlichen Rechtsprechung zu Altkleidercontainern um eine weitere Nuance ergänzt. Es schiebt dabei in Nordrhein-Westfalen zu Recht dem kommunalen Versuch einen Riegel vor, aus dem großen kommerziellen Interesse am Aufstellen solcher Container durch eine Vergabe an den Meistbietenden einen maximalen Profit zu erzielen. Raum für privatrechtliche Gestattungsverträge dürfte damit jedenfalls aus straßenrechtlicher Sicht für die Gemeinden nur noch in Bezug auf solche Standorte bestehen, die so weit entfernt von öffentlichem Straßenraum liegen, dass insoweit auch mit Blick auf die Nutzer der Container nicht mehr von einer Sondernutzung ausgegangen werden kann.[2]Siehe dazu zuletzt OVG Münster, Urt. v. 6.10.2017 – Az. 11 A 353/17, Rn. 48 (NRWE).

Fußnoten

Fußnoten
1 Siehe etwa BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 – Az. 1 C 10.07, Rn. 30.
2 Siehe dazu zuletzt OVG Münster, Urt. v. 6.10.2017 – Az. 11 A 353/17, Rn. 48 (NRWE).