OLG Düsseldorf: kein wettbewerbsrechtlicher Erstattungsanspruch bei postrechtswidrig, aber bestandskräftig genehmigten Briefentgelten
In einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 6.4.2022 – Az. U [Kart] 12/21, abgedruckt in N&R 2022, 248) hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit interessanten Fragen an der Schnittstelle zwischen dem allgemeinen Wettbewerbsrecht und dem sektorspezifischen Postrecht auseinandergesetzt. Es hatte insbesondere darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen ein Rückzahlungsanspruch für gezahltes Briefporto wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht besteht. Eine besondere Note bekommt die Fallgestaltung dadurch, dass das marktbeherrschende Postunternehmen das Porto auf Grundlage einer Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur erhoben hat. Diese Genehmigung hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zwar höchstrichterlich für rechtswidrig erkannt. Gegenüber dem hier betroffenen Nachfrager ist sie aber in Bestandskraft erwachsen.
Postrechtlicher Hintergrund und Sachverhalt
Wer Briefsendungen gewerbsmäßig für andere befördert, muss sich grundsätzlich die hierfür verlangten Entgelte (Porto) von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen, wenn er den betreffenden Markt beherrscht (§ 19 S. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 des Postgesetzes [PostG]). Damit soll präventiv den Gefahren begegnet werden, die sich daraus ergeben, dass die Briefbeförderungsentgelte eines solchen Unternehmens wegen seiner Marktmacht nicht hinreichend durch den Wettbewerb kontrolliert werden. Betroffen von dieser Verpflichtung ist bislang der Konzern der Deutschen Post AG (DPAG), der aus der früheren Bundespost hervorgegangen ist und die Briefmärkte in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin dominiert. Die DPAG darf nach § 23 Abs. 1 PostG ausschließlich die von der Bundesnetzagentur genehmigten Entgelte verlangen.
Die entsprechenden Genehmigungen werden befristet erteilt. Mit einem aufsehenerregenden Urteil hat das BVerwG im Jahr 2020[1]BVerwG, N&R 2020, 310 (Urt. v. 27.5.2020 – Az. 6 C 1.19). die Entgeltgenehmigung für Standardbriefe, die der DPAG Ende 2015 für den Zeitraum von 2016 bis 2019 erteilt worden war, als rechtswidrig aufgehoben. Grund hierfür war, dass der Verordnungsgeber der Bundesnetzagentur nach Auffassung des Gerichts einen rechtswidrigen Maßstab für die Ermittlung des angemessenen Gewinns vorgegeben hatte, der auch einem marktbeherrschenden Unternehmen zuzugestehen ist.
Im Jahr 2015 hatte die Bundesregierung nämlich die maßgebliche Post-Entgeltregulierungsverordnung (PEntgV) dahingehend geändert, dass der Gewinnzuschlag nicht mehr anhand einer Verzinsung des von der DPAG eingesetzten Betriebskapitals (Kapitalrendite) zu bestimmen war. Vielmehr musste die Bundesnetzagentur seither auf die Gewinnmargen abzustellen, die der DPAG vergleichbare Unternehmen auf vergleichbaren Märkten in anderen europäischen Ländern erzielten. Das stand nach Auffassung des BVerwG mit der postgesetzlich vorgegebenen Ausrichtung an einem (erweiterten) Effizienzkostenmaßstab nicht im Einklang.[2]Hierzu und zum Folgenden BVerwG, N&R 2020, 310, 314 f. Rn. 43 ff. (Urt. v. 27.5.2020 – Az. 6 C 1.19). Dieser Maßstab setze voraus, dass der angemessene Gewinn anhand eines Maßstabs ermittelt wird, der das Risiko des regulierten Unternehmens im Wettbewerb zum Ausdruck bringt. Eine Vergleichsbetrachtung der Umsatzrenditen vergleichbarer Postunternehmen in Europa genüge dem nicht.
Das BVerwG hob die damit ebenfalls rechtswidrige Entgeltgenehmigung jedoch nicht vollständig auf, sondern ausschließlich im Verhältnis zum Kläger des damaligen Verfahrens, einem Interessenverband von Wettbewerbern der DPAG. Diese sog. Inter-partes-Wirkung des höchstrichterlichen Urteils beruht auf der Rechtsprechung des Gerichts zur subjektiven Teilbarkeit von Entgeltgenehmigungen im Telekommunikations- und Postrecht. [3]Grundlegend entwickelt für den Telekommunikationssektor von BVerwG, N&R 2014, 46, 55 ff. Rn. 65 ff. (Urt. v. 25.9.2013 – Az. 6 C 13.12). Für alle Nachfrager von Beförderungsleistungen, die sich nicht erfolgreich um eine gerichtliche Aufhebung der Entgeltgenehmigung bemüht hatten, ist die Entgeltgenehmigung aus dem Jahr 2015 deshalb mittlerweile auch in Bestandskraft erwachsen. Sie ist damit in den betreffenden Rechtsverhältnissen grundsätzlich als wirksam zu betrachten und einer gerichtlichen Kontrolle entzogen.
Das betraf auch die Klägerin in dem Verfahren, in dem das OLG Düsseldorf nun entschieden hat. Es handelt sich dabei um ein Postunternehmen, das seinen Kunden den Ausdruck, die Konfektionierung und Beförderung von Briefsendungen anbietet. Hierfür bedient es sich der Dienste der DPAG. Nachdem das BVerwG die Entgeltgenehmigung für rechtswidrig erkannt hatte, erklärte die Klägerin gegenüber der DPAG die Anfechtung der Entgeltvereinbarung, die der Beförderung von Standardbriefen im Genehmigungszeitraum zugrunde lag. Mit ihrer Klage macht sie einen Erstattungsanspruch gegen die DPAG in Höhe von mehr als 100.000 Euro geltend.
Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage mit Urteil vom 17. Juni 2021 (Az. 88 O [Kart] 1/21) abgewiesen. Und auch die von der Klägerin daraufhin beim OLG Düsseldorf eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben.
Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung?
Das Oberlandesgericht stellte dabei zu Recht kurz und knapp fest, dass die beklagte DPAG dem wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbot aus § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterfällt (Rn. 26). Auch umfasse der Beseitigungsanspruch aus § 33 GWB grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung des missbräuchlich überhöhten Anteils bereits gezahlter Entgelte, wie er von der Klägern geltend gemacht wird (Rn. 25). Die Klage sei aber jedenfalls deshalb unbegründet, weil sich nicht feststellen lasse, dass die Beklagte gegen das wettbewerbsrechtliche Missbrauchsverbot verstoßen hat (Rn. 36).
Prüfprogramm für einen Preishöhenmissbrauch
Zur Begründung dieser Annahme entfaltete das Gericht zunächst das übliche Prüfprogramm für einen Preishöhenmissbrauch (Rn. 39 ff.):
Neben eine Vergleichsmarktbetrachtung (Rn. 39), bei der durch Zu- und Abschläge die Vergleichbarkeit der Preise insbesondere trotz unterschiedlicher Marktstruktur sichergestellt werde (Rn. 41), könne eine Überprüfung der Preisbildungsfaktoren treten (Rn. 40), wobei insoweit bestehenden Unsicherheiten durch Sicherheitszuschläge Rechnung zu tragen sei (Rn. 41). Darüber hinaus könne auch ein Vergleich mit Entgelten angestellt werden, die auf einem vergleichbaren Markt sektorspezifisch anhand eines Effizienzmaßstabs reguliert werden (Rn. 42 f.). Zu berücksichtigen sei aber, dass nicht bereits die Überschreitung des wettbewerbsanalogen Preises den Vorwurf eines Marktmachtmissbrauchs trage (Rn. 44). Notwendig sei vielmehr eine erhebliche Überschreitung dieses Wettbewerbspreises, wobei die Höhe dieses Erheblichkeitszuschlags von den konkreten Umstände abhänge und unter Umständen sogar bei 3% oder weniger liegen könne.
Vergleichsmarktbetrachtung
Mit im Wesentlichen überzeugender Argumentation stellte das OLG Düsseldorf zunächst fest, dass aufgrund einer Vergleichsmarktbetrachtung kein Ausbeutungsmissbrauch zu erkennen sei (Rn. 46 ff.).
Lediglich die sehr knappe Betrachtung anderer europäischer Länder (Rn. 48) wirkt etwas inkohärent gegenüber den eigenen Prämissen: Das Gericht zog einfach den „europäischen Durchschnitt“ heran. Von etwaigen Zu- oder Abschlägen, die zur Herstellung der Vergleichbarkeit eigentlich erforderlich wären, findet sich hier nichts. Dabei dürfte der Gerichtsentscheidung der alljährliche internationale Briefpreisvergleich der DPAG zugrunde liegen. Dieser kommt für 2017 zu einem Durchschnittswert für die konsolidierten Portokosten von 1,26 Euro,[4]DPAG, Briefpreise in Europa, 17. A., 2018, S. 23. was exakt dem Wert entspricht, auf den sich das Gericht bezieht. In diesen Briefpreisvergleich fließen die Briefpreise aller EU-Mitgliedstaaten und der drei EFTA-Staaten Island, Norwegen und Schweiz ein. Diese Staaten weisen im Bereich der Briefzustellung ganz unterschiedliche Kostenstrukturen auf. So dürfte die Organisation eines flächendeckenden Zustellungsnetzes in Ländern mit geringer Bevölkerungsdichte, wie den meisten skandinavischen Ländern, oder mit geographischen Besonderheiten, wie Dänemark mit seinen vielen Inseln, deutlich kostenaufwendiger sein als in Deutschland. Dieses wird als Flächenstaat wiederum Kostennachteile gegenüber Ländern mit noch stärker verdichteter Bevölkerungsstruktur wie Malta oder Luxemburg haben. Derartige strukturelle Unterschiede müssten in einer Vergleichsmarktbetrachtung eigentlich berücksichtigt werden, und zwar schon auf Ebene der Auswahl der Vergleichsländer, jedenfalls aber bei der Festsetzung etwaiger Zu- oder Abschläge.
Der internationale Briefpreisvergleich der DPAG leistet eine solche Konsolidierung nicht. Er bereinigt die nominalen Portokosten zwar sinnvollerweise um Kaufkraftunterschiede.[5]DPAG, Briefpreise in Europa, 17. A., 2018, S. 20. Eine darüber hinausgehende Normierung der Vergleichspreise findet jedoch nur anhand der Arbeitskosten statt.[6]DPAG, Briefpreise in Europa, 17. A., 2018, S. 17 und 22. Da sich auch unterschiedliche Lohnniveaus in der Kaufkraft niederschlagen, dürfte es sich hierbei schon um eine unzulässige Doppelberücksichtigung handeln. Vor allem aber besagen die Lohnniveaus nichts über den sonstigen Aufwand, der mit der Briefzustellung verbunden ist. Eine belastbare Vergleichsmarktbetrachtung hätte hier die Einbeziehung weiterer marktstruktureller Größen wie z. B. der Bevölkerungsdichte erforderlich gemacht. In diese Richtung deutet auch der Umstand, dass in den von der DPAG gebildeten Durchschnittswert deutliche Ausreißerwerte einfließen, die etwa für Island das Vierfache und für Dänemark das Zweieinhalbfache des Durchschnittswerts betragen.
Rückgriff auf sektorspezifische Entgeltvorgaben
Das OLG Düsseldorf ging unter Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess auf derartige Fragen nicht weiter ein. Es hat sich dann vielmehr der Frage gewidmet, inwieweit sich ein Preishöhenmissbrauch unter Rückgriff auf die sektorspezifischen Entgeltvorgaben des Postrechts feststellen lässt (Rn. 49 ff.).
Beurteilung der Entgeltermittlung unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten
Zunächst betrachtete das Gericht dabei die Ermittlung des genehmigten Briefportos durch die Bundesnetzagentur und prüfte, ob diese unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten Bedenken ausgesetzt ist.
Insoweit war nach Ansicht des OLG Düsseldorf nicht ersichtlich, warum ein Gewinnzuschlag, der nicht nach der zu erwartenden Kapitalrendite, sondern nach den Gewinnmargen europäischer Vergleichsunternehmen bemessen wird, missbräuchlich sein soll, zumal hiermit auf wettbewerbliche Parameter zurückgegriffen werde (Rn. 50). Der Anstieg der Portokosten um 13 % gegenüber der vorherigen Entgeltgenehmigung deute ebenfalls nicht auf einen Marktmachtmissbrauch hin (Rn. 51). Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass unbekannt sei, welcher Anteil der Preiserhöhung auf die veränderte Berechnung des Gewinnanteils und welcher Anteil auf Erhöhungen bei den anderen Kostenfaktoren entfiel. Keine Bedenken ergäben sich des Weiteren daraus, dass die zur Ermittlung des Gewinnzuschlags herangezogenen Vergleichsmärkte (ebenfalls) monopolistisch strukturiert sind (Rn. 52). Denn die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die von der Bundesnetzagentur herangezogenen Unternehmen aus marktstrukturellen oder anderen Gründen nicht zum Vergleich geeignet waren. Schließlich spreche gegen eine wettbewerbsrechtliche Missbräuchlichkeit, dass sich der seinerzeitige Verordnungsgeber und zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber für den Gewinnzuschlag als Bemessungsmaßstab entschieden haben (Rn. 53).
Das Oberlandesgericht ersparte sich mit dem (in der Sache natürlich berechtigten) Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Vergleichsbetrachtung geeignet war und ist, Gewinnmargen zu ermitteln, die auf einem wirksamen Wettbewerb beruhen. Nur dann wären solche Gewinnmargen allerdings wirklich wettbewerbliche Parameter und nicht lediglich die Perpetuierung von marktmachtbedingten Ausbeutungsgewinnen. Sowohl Teile des Schrifttums[7]Siehe etwa Höppner/Volmar/Westerhoff, N&R 2021, 167, 172. als auch die Monopolkommission[8]Monopolkommission, Policy Brief 5/2020, S. 3; Sektorgutachten Post Nr. 10, 2017, S. 55 Tz. 122 f. stehen dem Vergleich mit den Gewinnmargen europäischer Postunternehmen insoweit ablehnend gegenüber.
Entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf ist es überdies jedenfalls nicht völlig „unbekannt“, welchen Anteil die geänderte Ermittlung des Gewinnanteils an der Preiserhöhung um 13 % gegenüber der vorherigen Entgeltgenehmigung hatte: So hat die Bundesnetzagentur im Rahmen der hier relevanten Entgeltgenehmigung einen Gewinnsatz von 5,09 % ermittelt.[9]Bundesnetzagentur, Beschl. v. 23.11.2015 – Az. BK5-15/012, S. 42 und 46. Und nach Ad-hoc-Angaben der DPAG hatte sich ihr Preiserhöhungsspielraum im Vergleich zur Sach- und Rechtslage vor der Umstellung der Gewinnermittlungsmethode von 4,8 % auf 10,63 % erhöht, also um 5,83 %.[10]Höppner/Volmar/Westerhoff, N&R 2021, 167, 168 m. w. N. Die geänderte Ermittlung des Gewinnanteils kann die Preiserhöhung damit allenfalls bzw. immerhin zu etwa zwei Fünfteln erklären, wobei ihr angesichts der in Rede stehenden Summen ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zukommt.
Bedeutung der postrechtlichen Bewertung
Aus netzwirtschaftsrechtlicher Sicht noch interessanter als die Ausführungen, wie das Gericht die Erkenntnisse aus der sektorspezifischen Entgeltregulierung nach allgemeinem Wettbewerbsrecht beurteilt, sind dann jedoch die Überlegungen des OLG Düsseldorf zur Bedeutung, die der postrechtlichen Bewertung als solcher für die wettbewerbsrechtliche Qualifikation der beanstandeten Preissetzung zukommt. Diese Frage hat schon in verschiedenen Netzwirtschaften erhebliche praktische Relevanz gehabt, zuletzt vor allem im Bereich der Eisenbahnregulierung.
Im Kern geht es dabei darum, ob sich bereits aus einem Verstoß gegen sektorspezifische Entgeltvorgaben ohne weiteres auch die Missbräuchlichkeit des Preissetzungsverhaltens nach allgemeinem Wettbewerbsrecht ergibt. Von einem solchen Verstoß war in der konkreten Situation letztlich auszugehen. Denn das genehmigte und erhobene Entgelt enthielt einen Gewinnzuschlag, der entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht anhand der dem unternehmerischen Risiko entsprechenden Kapitalrendite ermittelt worden war, sondern durch einen Vergleich mit den Gewinnmargen anderer europäischer Postunternehmen.
Das Oberlandesgericht ließ diese Postrechtswidrigkeit für die Feststellung einer missbräuchlichen Preisüberhöhung allerdings nicht ausreichen (Rn. 54). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der „Kabelkanalanlagen“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der zufolge ein Preishöhenmissbrauch auch mit einer Abweichung des Entgelts von einem anhand des Maßstabs der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung genehmigten Entgelt begründet werden kann. Hierbei wirkt es allerdings etwas zirkelschlüssig, wenn das OLG Düsseldorf ausführte, dass sich diese Rechtsprechung nicht zur Berechnung des Gewinnzuschlags anhand der Gewinnmargen anderer europäischer Postunternehmen verhalte (Rn. 55). Denn wenn sich die Missbräuchlichkeit gerade auch aus einem Vergleich mit dem Ergebnis der Anwendung sektorspezifischer Preisbildungsregeln ergeben kann, dann dürfte für diesen Vergleich nur maßgeblich sein, ob die Heranziehung von Gewinnmargen den sektorspezifischen Vorgaben entspricht. Das wäre hier nach der Rechtsprechung des BVerwG gerade nicht der Fall gewesen. Allerdings stellte der BGH in der genannten „Kabelkanalanlagen“-Entscheidung darauf ab, dass das geforderte Entgelt die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung für eine vergleichbare Leistung deutlich übersteigen müsse, um auf eine Abweichung von einem wettbewerbskonformen Entgelt schließen zu können.[11]BGH, N&R 2017, 184, 185 Rn. 27 (Urt. v. 24.1.2017 – Az. KZR 2/15) – Kabelkanalanlagen. Damit dürfte insbesondere auch ein Erheblichkeitszuschlag geboten sein, siehe Haus/Richter, N&R … Continue reading Ob die (materielle) Postrechtswidrigkeit hier einen solchen deutlichen Abstand zu einem postrechtskonformen Entgelt zur Folge hatte, ist zumindest unklar.
Das OLG Düsseldorf stützte seine Auffassung dann aber ergänzend auf die Bindungswirkung[12]Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet eine öffentlich-rechtliche Genehmigung im Umfang des für ihren Erlass vorgeschriebenen Prüfprogramms eine Legalisierungswirkung, die auch für die … Continue reading der Entgeltgenehmigung, die von der Klägerin nicht angefochten worden war. Die Folgen dieser Bindungswirkung könnten allenfalls aus spezifisch wettbewerbsrechtlichen Gründen aufzuheben sein, wenn sich die Entgeltberechnung als wettbewerbsrechtlich missbräuchlich erweist (Fn. 56). Das sei aber vorliegend aus den genannten Gründen nicht der Fall (siehe soeben). Für nicht ausreichend erachtete es das Gericht demgegenüber, wenn die bestandskräftige und damit auch für den Kunden bindende Entgeltgenehmigung nur gegen das sektorspezifische Postrecht verstößt.
Neubewertung aufgrund der „Regionalfaktoren“-Entscheidung des BGH?
Dieses Argument könnte allerdings aufgrund zwischenzeitlich veröffentlichter Rechtsprechung des BGH einer kritischen Überprüfung zu unterziehen sein (mit offenem Ergebnis). In seiner „Regionalfaktoren“-Entscheidung hat der Gerichtshof nämlich ausgeführt, dass in regulierten Wirtschaftsbereichen die einschlägigen Vorgaben des sektorspezifischen Regulierungsrechts bei der Anwendung des wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots zu berücksichtigen seien.[13]Hierzu und zum Folgenden: BGH, N&R 2022, 230, 232 Rn. 32 m. w. N. (Urt. v. 8.2.2022 – Az. KZR 89/20) – Regionalfaktoren. Regulierungsrechtliche Preisbildungsregeln seien insoweit als spezifisches Marktordnungsrecht anzusehen, „das die Maßstäbe für die Anwendung des Missbrauchsverbots im Hinblick auf die Preishöhenkontrolle konkretisiert“.[14]Bestätigt durch BGH, N&R 2022, 236, 241 Rn. 58 (Urt. v. 5.4.2022 – Az. KZR 84/20) – Regionalfaktoren II. Um den Besonderheiten der betroffenen Märkte Rechnung zu tragen, könnten die Vorgaben der sektoralen Preisregulierung als Maßstab für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Angemessenheit der Entgelte dienen. Diese Ausführungen dürften eine gewisse Präjudizwirkung sektorale Entgeltvorgaben für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung implizieren. Offen bleiben aber drei Fragen:
- Der BGH betont in der „Regionalfaktoren“-Entscheidung im Weiteren dann auch den Umstand, dass „einzelne Abnehmer mit erheblichen Preisaufschlägen belastet [werden], ohne dass dies nach dem einschlägigen sektorspezifischen Marktordnungsrecht gerechtfertigt ist“.[15]So die Formulierung im amtlichen Leitsatz der Entscheidung. Siehe auch BGH, N&R 2022, 230, 234 Rn. 45 (Urt. v. 8.2.2022 – Az. KZR 89/20) – Regionalfaktoren. Eine solche zusätzliche Diskriminierungsdimension weist der streitgegenständliche Sachverhalt im Bereich des Postwesens jedenfalls nicht ohne weiteres auf.[16]Man könnte jedoch eventuell an die unterschiedliche Ausnutzung der Preiserhöhungsspielräume für die einzelnen Korbprodukte im Rahmen der hier vorliegenden „Price-Cap“-Entgeltregulierung … Continue reading
- Auch bei einer solchen Maßstabsgebung dürfte ein wettbewerbsrechtlicher Missbrauch nicht bereits bei jeder Abweichung von den sektorspezifischen Entgeltvorgaben anzunehmen sein. Vielmehr dürfte wie stets eine erhebliche Abweichung von dem Preis erforderlich sein, der sich angesichts des sektorspezifischen Marktordnungsrechts als wettbewerbsanalog erweist.[17]So hat der BGH in der „Regionalfaktoren“-Entscheidung ausdrücklich von „erheblichen“ Preisaufschlägen gesprochen, siehe BGH, N&R 2022, 230, 234 Rn. 45 (Urt. v. 8.2.2022 – Az. KZR … Continue reading Die Missbrauchsprüfung knüpft damit an die oben bereits skizzierte Frage an, ob das postrechtswidrig verlangte Entgelt das postrechtskonforme Entgelt „deutlich“ übersteigt. Das wird man anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilen müssen. Dabei dürfte allerdings der überragende Marktanteil der DPAG, der seit Beginn der Liberalisierung 1998 um nicht einmal 15 % gesunken ist, für einen nicht allzu hohen Erheblichkeitszuschlag sprechen.
- Doch selbst, wenn man einen erheblichen Abstand und damit einen Marktmachtmissbrauch im Sinne des allgemeinen Wettbewerbsrechts bejahen würde, bleibt die Frage nach der Bindungswirkung der bestandskräftigen Entgeltgenehmigung. Das OLG Düsseldorf ging ersichtlich davon aus, dass diese Wirkung nur aus spezifisch wettbewerbsrechtlichen Gründen überwunden werden könnte. Solche könnten sich aber – so ist das Gericht wohl zu verstehen – nicht aus einer Abweichung des Preises von sektorspezifischen Entgeltvorgaben ergeben. Diese Annahme scheint nicht unangreifbar. Denn sie hätte zur Folge, dass ein sich hieraus ergebender Preishöhenmissbrauch ein Marktmachtmissbrauch zweiter Klasse wäre. Hierfür ist jedenfalls in der Argumentation des BGH nichts ersichtlich. Im Gegenteil: Gerade eine gesetzliche Konkretisierung durch sektorales Marktordnungsrecht sorgt für zusätzliche Rechtssicherheit für alle Marktteilnehmer gegenüber den doch oftmals besonders ausfüllungsbedürftigen Maßstäben des allgemeinen Wettbewerbsrechts.
Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle?
Die Frage, wie sich konkrete Vorgaben der sektorspezifischen Regulierung zu den Anforderungen des allgemeinen Wettbewerbsrechts verhalten, lenkt den Blick letzten Endes auf die allgemeinere Problematik, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die sektorspezifische Regulierung die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle ausschließt. Diese Diskussion begleitet das Netzwirtschaftsrecht sei jeher, ohne dass sich bisher eine einheitliche Linie abzeichnen würde.[18]Zusammenfassend etwa Sennekamp, Der Diskurs um die Abgrenzung von Kartell- und Regulierungsrecht, 2016. In der vorliegenden Fallkonstellation geht es dabei freilich nur um einen Ausschnitt dieser Problematik, nämlich um die Frage, inwieweit das Vorliegen einer Entgeltgenehmigung auf Grundlage des sektorspezifischen Rechts die Zivilgerichte an einer Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts hindert. Auch hierzu äußerte sich das OLG Düsseldorf. Es sah insoweit aber von einer Entscheidung ab, weil es aus den vorstehend geschilderten Gründen jedenfalls einen Marktmachtmissbrauch verneinte.
Stand der Rechtsprechung
Obwohl es damit letzten Endes für seine Entscheidung nicht darauf ankam, entfaltete das Oberlandesgericht schon fast lehrbuchartig die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit bei einer sektorspezifischen Entgeltgenehmigung überhaupt noch Raum für die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts bleibt (Rn. 28 ff.). Es zeichnete dabei die durchaus nuancenreichen Positionen des BGH und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nach:
Im Kern besteht das Problem darin, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nur dann vorliegen kann, wenn das marktmächtige Unternehmen über einen Entscheidungsspielraum verfügt, den es missbräuchlich ausnutzen kann (Rn. 28 und 33). Das ist bei der Erhebung von Entgelten, die durch Verwaltungsakt von der Bundesnetzagentur mit privatrechtsgestaltender Wirkung genehmigt werden, an sich nicht der Fall (Rn. 29 und 32). Eine solche Genehmigung bindet im Rahmen und Umfang ihrer Bestandskraft andere Gerichte und Behörden (Rn. 31) und damit eben auch die Zivilgerichte, wenn sie über wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu entscheiden haben. Da das BVerwG die Entgeltgenehmigung aus dem Jahr 2015 nur im Verhältnis zur Klägerin des Verwaltungsrechtsstreits und nicht inter omnes (gegenüber allen) aufgehoben hatte, ist sie im Verhältnis zwischen der Klägerin des Zivilgerichtsverfahrens und der DPAG bestandskräftig geworden. Damit ist sie eigentlich der Prüfung durch die Zivilgerichte in einem Verfahren nach allgemeinem Wettbewerbsrecht entzogen.
Allerdings liegt der Entgeltgenehmigung in der Regel ein entsprechender Genehmigungsantrag des marktmächtigen Unternehmens zugrunde. Insoweit besteht ein Handlungsspielraum, den das Unternehmen nutzen kann, um die Genehmigung eines missbräuchlich überhöhten Entgelts zu erreichen. Das sollte eigentlich durch die regulierungsbehördliche Prüfung ausgeschlossen sein, wird sich in der Regulierungsrealität aber angesichts der Informationsasymmetrie zwischen reguliertem Unternehmen und Regulierungsbehörde nie ganz vermeiden lassen. Der EuGH hatte deshalb zumindest in der Möglichkeit, die Änderung einer bestehenden Entgeltgenehmigung zu beantragen, einen wettbewerbsrechtlich relevanten Handlungsspielraum gesehen (Rn. 33).[19]EuGH, ECLI:EU:C:2010:603, Rn. 86 ff. (Urt. v. 14.10.2010 – Rs. C 280/08 P) – Deutsche Telekom/Kommission. Und der BGH hatte es sogar ausdrücklich für möglich erachtet, einen Marktmachtmissbrauch darin zu sehen, dass das marktbeherrschende Unternehmen durch einen entsprechenden Antrag die Genehmigung eines missbräuchlichen Entgelts erreicht (Rn. 34).[20]BGH, lexetius.com/2004,691, Rn. 20 (Urt. v. 10.2.2004 – Az. KZR 7/02) – Verbindung von Telefonnetzen.
Wie diese Gemengelage sinnvoll aufzulösen ist, harrt noch der abschließenden Klärung. Jedenfalls blieb auch beim OLG Düsseldorf offensichtlich ein gewisses Störgefühl, die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts unter Hinweis auf eine bestandskräftige Entgeltgenehmigung einfach auszuschließen. Gerade mit Blick auf den Anwendungsvorrang, den das Missbrauchsverbot nach EU-Wettbewerbsrecht aus Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gegenüber dem nationalen (Post-) Recht genießt, zeigte das Gericht potentielle Folgefragen auf, bevor es dann eine Entscheidung des Problems vermied, wenn auch ausgerechnet unter mittragender Bezugnahme auf die Bindungswirkung der Entgeltgenehmigung (Rn. 36):
So könne zu überlegen sein, ob es gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 AEUV verstoße, die Forderung eines von der nationalen Regulierungsbehörde genehmigten Entgelts nicht am Missbrauchsverbot des allgemeinen Wettbewerbsrechts zu messen, sondern den Vertragspartner auf die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen die Entgeltgenehmigung zu verweisen. Auch könne unter Umständen die Vereinbarkeit von § 23 PostG mit Art. 102 AEUV in Zweifel gezogen werden.
Differenzierter Lösungsansatz?
Führt man die argumentativen Ansätze aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung fort, scheint sich ein differenzierter Lösungsansatz anzubieten. Die rechtliche Bindung an eine bestandskräftige Entgeltgenehmigung wird, worauf EuGH und BGH hinweisen, ganz erheblich dadurch relativiert, dass der Marktmachtmissbrauch bereits in der Beantragung eines missbräuchlichen Entgelts, jedenfalls aber im Unterlassen eines Antrags auf Änderung der Genehmigung gesehen werden könnte. Es spricht daher einiges dafür, dass die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts nicht alleine durch die Bindungswirkung einer erteilten Entgeltgenehmigung ausgeschlossen werden kann. Damit würden sich auch Überlegungen in Bezug auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit oder eben Art. 102 AEUV erübrigen.
Hieraus müsste auch nicht folgen, dass bestandskräftige Entgeltgenehmigungen in wettbewerbsrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten ohne Bedeutung wären. Vielmehr könnte hier der Umstand ins Spiel kommen, dass nach der Rechtsprechung von EuGH und BGH die sektorspezifischen Entgeltvorgaben maßstabsgebend für die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts sind. Ob ein Entgelt den diesbezüglichen Vorgaben des sektorspezifischen Marktordnungsrechts entspricht, wird aber zwischen dem marktmächtigen Unternehmen und seinen Vertragspartnern bindend mit der jeweiligen Entgeltgenehmigung entschieden. Soweit diese bestandskräftig ist, könnten daher auch die Zivilgerichte davon ausgehen müssen, dass das genehmigte Entgelt im Einklang mit diesen sektoralen Vorgaben steht. Es wäre ihnen dann unter Umständen nicht mehr möglich, einen Marktmachtmissbrauch mit einer Abweichung von den Entgeltvorgaben des jeweiligen Regulierungsrechts zu begründen. Das erschiene auch vor dem Hintergrund von Art. 102 AEUV hinnehmbar. Denn wenn sich die Missbräuchlichkeit gerade aus dem mitgliedstaatlichen Regulierungsrecht ergibt, scheint es nur folgerichtig, wenn sich auch Reichweite und Grenzen dieser Konkretisierung nach den Vorgaben der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung richten.
Dieser Ansatz hätte vorliegend dasselbe Ergebnis zur Folge, zu dem auch das OLG Düsseldorf gekommen ist. Allerdings würde er für die Frage, ob sich ein Preishöhenmissbrauch nach allgemeinem Wettbewerbsrecht aus einer Postrechtswidrigkeit des genehmigten Entgelts ergibt, die Bindungswirkung der Entgeltgenehmigung in den Mittelpunkt rücken. Auf deren Grundlage wäre im Zivilrechtsstreit eben gerade davon auszugehen, dass das Entgelt postrechtskonform ist. Das OLG Düsseldorf stellte demgegenüber (jedenfalls auch) darauf ab, dass die postrechtswidrige Berechnung des Gewinnzuschlags unter Heranziehung von Gewinnmargen anderer Postunternehmen als solche missbräuchlich im Sinne des allgemeinen Wettbewerbsrechts sein müsse, was nicht der Fall sei (Rn. 54).[21]An anderer Stelle argumentierte das Gericht jedoch ähnlich wie hier mit der Bindungswirkung der Entgeltgenehmigung, die allenfalls aus „spezifisch kartellrechtlichen Gründen“ überwunden werden … Continue reading
Erscheint ein solcher Ansatz somit zwar auf den ersten Blick systematisch stimmig, bleiben dennoch Fragen. Denn mit der Entgeltgenehmigung bescheinigt die Regulierungsbehörde jedenfalls im Post- und Telekommunikationsrecht nicht lediglich die Übereinstimmung des genehmigten Entgelts mit den sektoralen Entgeltvorgaben. Vielmehr ist Voraussetzung für eine Entgeltgenehmigung, dass das Entgelt auch nicht gegen „andere Rechtsvorschriften“ verstößt (§ 21 Abs. 3 S. 2 PostG, § 40 Abs. 4 S. 2 des Telekommunikationsgesezes [TKG]). Fasst man unter diese „anderen Rechtsvorschriften“ auch das Missbrauchsverbot nach allgemeinem Wettbewerbsrecht (was umstritten ist), würde sich die Entgeltgenehmigung vom argumentativen Ansatz her auch auf die Übereinstimmung mit den sich hieraus ergebenden Anforderungen erstrecken. Legt man die vom OLG Düsseldorf angenommene „Bindungswirkung“ zugrunde, hätte die Entgeltgenehmigung dann also zur Folge, dass in einem zivilgerichtlichen Verfahren das genehmigte Entgelt (auch) als nicht missbräuchlich im Sinne des allgemeinen Wettbewerbsrechts anzusehen wäre. Für eine Differenzierung zwischen einem spezifisch wettbewerbsrechtlichen und einem durch sektorspezifisches Marktordnungsrecht konkretisierten Marktmachtmissbrauch, wie sie das OLG Düsseldorf der Sache nach vornahm, wäre bei einer solchen Sichtweise kein Raum.[22]uf EU-Ebene wurde zuletzt ebenfalls die Notwendigkeit betont, die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts materiell mit den sektorspezifischen Entgeltvorgaben zu koordinieren, jedenfalls sofern … Continue reading Vielmehr würde vor allem der Konflikt mit den unionsrechtlichen Vorgaben namentlich aus Art. 102 AEUV wohl wieder in voller Schärfe aufleben. Er wäre lediglich praktisch dadurch gemindert, dass jedenfalls die Kommission ohnehin nicht an die Entgeltgenehmigung gebunden sein dürfte.[23]Siehe EuGH, ECLI:EU:C:2010:603, Rn. 90 (Urt. v. 14.10.2010 – Rs. C 280/08 P) – Deutsche Telekom/Kommission.
Fazit: Diskussion um das Verhältnis zwischen allgemeinem und sektoralem Wettbewerbsrecht bleibt offen
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf über die wettbewerbsrechtliche Beurteilung postrechtswidriger Briefentgelte bereichert die schon seit jeher kontrovers geführte Diskussion um das Verhältnis von Wettbewerbs- und Regulierungsrecht damit zwar um wichtige Facetten. Wie die beiden Regelungssphären sinnvoll und systematisch stimmig auszutarieren sind, bleibt aber weiterhin offen. Das gilt insbesondere auch für die Bedeutung einer behördlichen Entgeltgenehmigung für die zivilgerichtliche Beurteilung des genehmigten Entgelts auf Grundlage des allgemeinen Wettbewerbsrechts.
Fußnoten
↑1 | BVerwG, N&R 2020, 310 (Urt. v. 27.5.2020 – Az. 6 C 1.19). |
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↑2 | Hierzu und zum Folgenden BVerwG, N&R 2020, 310, 314 f. Rn. 43 ff. (Urt. v. 27.5.2020 – Az. 6 C 1.19). |
↑3 | Grundlegend entwickelt für den Telekommunikationssektor von BVerwG, N&R 2014, 46, 55 ff. Rn. 65 ff. (Urt. v. 25.9.2013 – Az. 6 C 13.12). |
↑4 | DPAG, Briefpreise in Europa, 17. A., 2018, S. 23. |
↑5 | DPAG, Briefpreise in Europa, 17. A., 2018, S. 20. |
↑6 | DPAG, Briefpreise in Europa, 17. A., 2018, S. 17 und 22. |
↑7 | Siehe etwa Höppner/Volmar/Westerhoff, N&R 2021, 167, 172. |
↑8 | Monopolkommission, Policy Brief 5/2020, S. 3; Sektorgutachten Post Nr. 10, 2017, S. 55 Tz. 122 f. |
↑9 | Bundesnetzagentur, Beschl. v. 23.11.2015 – Az. BK5-15/012, S. 42 und 46. |
↑10 | Höppner/Volmar/Westerhoff, N&R 2021, 167, 168 m. w. N. |
↑11 | BGH, N&R 2017, 184, 185 Rn. 27 (Urt. v. 24.1.2017 – Az. KZR 2/15) – Kabelkanalanlagen. Damit dürfte insbesondere auch ein Erheblichkeitszuschlag geboten sein, siehe Haus/Richter, N&R 2017, 149, 153. |
↑12 | Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet eine öffentlich-rechtliche Genehmigung im Umfang des für ihren Erlass vorgeschriebenen Prüfprogramms eine Legalisierungswirkung, die auch für die Zivilgerichte bindend ist, siehe zuletzt etwa (für die Baugenehmigung) BGH, Urt. v. 28.1.2022 – Az. V ZR 99/21, Rn. 20. |
↑13 | Hierzu und zum Folgenden: BGH, N&R 2022, 230, 232 Rn. 32 m. w. N. (Urt. v. 8.2.2022 – Az. KZR 89/20) – Regionalfaktoren. |
↑14 | Bestätigt durch BGH, N&R 2022, 236, 241 Rn. 58 (Urt. v. 5.4.2022 – Az. KZR 84/20) – Regionalfaktoren II. |
↑15 | So die Formulierung im amtlichen Leitsatz der Entscheidung. Siehe auch BGH, N&R 2022, 230, 234 Rn. 45 (Urt. v. 8.2.2022 – Az. KZR 89/20) – Regionalfaktoren. |
↑16 | Man könnte jedoch eventuell an die unterschiedliche Ausnutzung der Preiserhöhungsspielräume für die einzelnen Korbprodukte im Rahmen der hier vorliegenden „Price-Cap“-Entgeltregulierung denken. Die Klägerin hatte diesen Aspekt ausdrücklich angesprochen, das OLG Düsseldorf ihm aber in Bezug auf den Marktmachtmissbrauch keine Bedeutung beigemessen, siehe Rn. 57. |
↑17 | So hat der BGH in der „Regionalfaktoren“-Entscheidung ausdrücklich von „erheblichen“ Preisaufschlägen gesprochen, siehe BGH, N&R 2022, 230, 234 Rn. 45 (Urt. v. 8.2.2022 – Az. KZR 89/20) – Regionalfaktoren. Angesichts von Zuschlägen in Höhe von 43 % und 61 % erübrigten sich nähere Ausführungen zur genauen Verortung der Erheblichkeitsgrenze in der dortigen Fallgestaltung. |
↑18 | Zusammenfassend etwa Sennekamp, Der Diskurs um die Abgrenzung von Kartell- und Regulierungsrecht, 2016. |
↑19 | EuGH, ECLI:EU:C:2010:603, Rn. 86 ff. (Urt. v. 14.10.2010 – Rs. C 280/08 P) – Deutsche Telekom/Kommission. |
↑20 | BGH, lexetius.com/2004,691, Rn. 20 (Urt. v. 10.2.2004 – Az. KZR 7/02) – Verbindung von Telefonnetzen. |
↑21 | An anderer Stelle argumentierte das Gericht jedoch ähnlich wie hier mit der Bindungswirkung der Entgeltgenehmigung, die allenfalls aus „spezifisch kartellrechtlichen Gründen“ überwunden werden könne (Rn. 56). |
↑22 | uf EU-Ebene wurde zuletzt ebenfalls die Notwendigkeit betont, die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts materiell mit den sektorspezifischen Entgeltvorgaben zu koordinieren, jedenfalls sofern letztere auf (sekundärem) EU-Recht beruhen, GA Ćapeta, ECLI:EU:C:2022:288, Rn. 71 f. (Schlussanträge v. 7.4.2022 – Rs. C-721/20) – DB Station & Sercive. |
↑23 | Siehe EuGH, ECLI:EU:C:2010:603, Rn. 90 (Urt. v. 14.10.2010 – Rs. C 280/08 P) – Deutsche Telekom/Kommission. |